Fallstudie: Agil im Mittelstand

Analyse

Es ist noch gar nicht lange her, da haben wir einen mittelständischen, international arbeitenden Betrieb dabei begleitet, Arbeit rund um Ihre IT Abteilung mit agilen Methoden neu zu gestalten.

Im Rahmen der weiteren Digitalisierung ihres Datenhandlings hatten wir einen zeitkritischen Auftrag: ein Programmteam dabei unterstützen, wieder den richtigen Weg zur Erreichung ihrer Programmziele zu finden.

Einen Auszug dazu, wie wir vorgegangen sind, wollen wir hier vorstellen.

Was war die Ausgangslage?

  • Wer: International agierendes, mittelständisches Unternehmen in einem regulierten Markt
  • Was: Notwendige Anpassungen aufgrund neuer regulatorischer Anforderungen
Das Unternehmen mußte sich neuen regulatorischen Anforderungen stellen, die eine stärkere Digitalisierung im Datenhandling als bisher erforderten.
Um diese Transformation aktiv zu gestalten, wurde ein abteilungsübergreifendes Programm mit starker Business-Beteiligung, jedoch nur begrenzter IT-Mitwirkung geschaffen. Ziel des Programms war die Auswahl, der Einkauf und die Konfiguration einer neuen, bedarfsgerechten Datenplattform-Lösung.

Es kam, wie es kommen mußte…

Warum wir das glauben?
Im Zuge der notwendigen Digitalisierung wurde versäumt, Prozesse und Umsetzungsvorgehen ebenso zu bedenken und zu transformieren – sich einer neuen Herausforderung mit vielen Unbekannten zu stellen, erfordert in den allermeisten Fällen auch eine Herangehensweise, die dem gewachsen ist.
Der Fokus lag sehr stark auf dem Fachlichen – zu wenig auf dem Organisatorischen und Kulturellen. Oder, mit der Metapher des Tanz auf den Quadranten gesprochen: das Team bewegte sich ausschließlich im Bereich der Prozesse und Strukturen, und dort auch nur in einem winzigen Teilbereich, dem der fachlichen Organisation ihrer Daten – ohne sich leichtfüßig auch über andere Quadranten zu bewegen. 
Laufendes Programm über Budget:
Bereits in den ersten Monaten überschrittene Kosten und nicht eingehaltene Zeitpläne.
Suboptimale Lieferergebnisse:
Integrationsschwierigkeiten und Datenfehler führen zu einem hohen Grad an Nutzerunzufriedenheit.
Dringlichkeit der Veränderung:
Herausforderungen bedürfen zügiger Umsetzungsstrategien für Lösungen, trotz eingeschränkter Ressourcenverfügbarkeit.

Hier kommt die Kavallerie

Nagut, wir wollen mal nicht übertreiben.

Sicherlich hätte das Team über kurz oder lang auch ihren eigenen Weg gefunden, die Herausforderung zu lösen. Der Vorteil externer Begleitung liegt allerdings darin, dass wir eine neutrale Partei sind, die sich sachlich die Lage ansieht, keinerlei Schuldzuweisungen ausspricht, die volle Erfahrung aus vielen Veränderungsprojekten unterschiedlichster Ausgangslagen mitbringt  und daher in der Regel in deutlich kürzerer Zeit effektive Wege zu einem optimierten Vorgehen findet.

Wir sparen bares Geld und wertvolle Zeit, und verhindern, dass die Teammoral weiter sinkt.

Auch in diesem Auftrag sind wir anhand der bewährten drei Phasen vorgegangen.

Verstehen

Eine Analyse der Situation zeigte, dass das Programm es vor allem mit vier Kernthemen zu tun hatte:

  • Unklare Ziele
    • Im Zuge der Digitalisierung sollten sowohl intern motivierte als auch extern motivierte Ziele erreicht werden. Was Priorität hatte (und anhand welcher Kritieren diese Entscheidung getroffen wurde) war nicht nachvollziehbar. „Alles, und die größte Portion“ schien das Motto zu sein.
  • Teamstruktur und Verantwortlichkeiten
    • Interne Businessansprechpartner:innen, internes IT Team und externe Anbietende der ausgewählten Plattformlösung hatten unklare Rollen, Teams waren nach Silos getrennt und die Kommunikationswege nicht eindeutig
  • Intransparente Kommunikation
    • Niemand in den Teams hatte ein klares Bild der Ist-Standes, des gewünschten Zielzustandes und der aktuellen fachlichen Themen und Herausforderungen. Alle hatten nur Puzzleteile, die für sich allein wirkungslos waren. Horten von Information und Schuldzuweisungen waren an der Tagesordnung.
  • Zeitintensive Validierung
    • Nachrangig war im Projektablauf festzustellen, dass durch die Teamstruktur und Vorgehensweise die zwingend notwendige sorgfältige Validierung den größten Teil der Arbeitszeit in Anspruch nahm. Hier war es eventuell möglich, effektivere Wege zu finden.

Vertiefen und Verändern

Aufgrund der zeitkritischen Komponente des Auftrags parallelisierten wir die Phasen des Vertiefens und Veränderns so gut als möglich. Ein hoher Anteil an Selbststudium und Learning by doing begleitet von Mentoring und Sparring stand wenigen, aufgezeichneten Trainingseinheiten gegenüber.

Im Unternehmen gab es Zugang zu einer Lernplattform, die auch Grundlagenwissen über Agilität enthielt – dies machten wir uns zu nutze.

Ziele verstehen, priorisieren und nachhalten

Mit dem Programmteam und den unterschiedlichen Parteien nahmen wir uns als erstes die Ziele vor.

Stakeholder Mapping, OKR und die Klassiker Risikoanalyse und SWOT halfen dabei, in einem Workshopformat etwas mehr Klarheit zu bekommen, worum es für das Unternehmen letztlich geht, und wie demnach auch die verschiedenen Ziele untereinander zu priorisieren waren.

Gemeinsam mit der Programmleitung in der Rolle eines Product Owners wurde nun einiges an Zeit investiert, um anhand der Ziele eine Roadmap und einen Backlog zu erstellen. Für einen reinen MVP war es zu spät (verwerfen und neu beginnen wurde von den Teams gänzlich abgelehnt) und so wurde Fokus gesetzt und der MVP Gedanke als leane Leitlinie (was brauchen wir als Minimallösung? Kann das weg?) immer wieder hinzugezogen.

Konkrete Vorgehensweisen für den Alltag:

  • Priorisierter Backlog: Ersetzung der Anforderungsdokumente durch einen klar priorisierten Backlog, gemeinsam entwickelt von IT, externen Dienstleistern, Business und Powerusern.
  • Regelmäßige Abstimmung: Etablierung täglicher Planungsgespräche in Teams und eines „Scrum of Scrums“ im zweitägigen Rhythmus zwischen den Führungskräften und Entscheidern.

Optimierte Teamstruktur und Rollen

Mit den Zielen vor Augen konnten wir nun den Zuschnitt der Teams anpassen und richteten sie auf und anhand der Ziele aus.
Idealvorstellung waren crossfunktionale Teams, und es war für das Programm sogar möglich, Teammitglieder des externen Dienstleisters direkt einzubinden. Die Zusammenarbeit konnte so nun erst richtig losgehen. Konfiguration, Migration und Validierung end-to-end und möglichst unabhängig voneinander abzubilden war eines der Ziele des neuen Schnitts.
Jedes Team arbeitete mit einer Art Business Product Owner Rolle, einer Person, die für die Ziele und deren Inhalte verantwortlich war und sich mit den anderen Teams im Programm intensiv austauschte und abstimmte.
So arbeitete nun jedes Team effektiv auf die für sie zu erreichenden Ziele hin, teilweise in einem Kanban-, teilweise im Sprintmodus – in jedem Fall war die Validierung nun nicht mehr rein nachgelagert, sondern frühzeitig eingebundener Anteil des Prozesses. Das änderte natürlich nichts daran, dass nur „abschlossene“ Anteile final validiert werden durften – beschleunigte aber durch intensivere Kommunikation, enge Abstimmung und gute Kenntnisse dieser Anteile die finale Validierung doch deutlich.
Konkrete Vorgehensweisen für den Alltag:
  • Erst wenn die Ziele klar sind, Teams so zusammenstellen, dass diese Ziele möglichst unabhängig voneinander erreicht werden können
  • Silos und Zugehörigkeiten zugunsten der Fähigkeiten und Zielerreichung ignorieren
  • Eine verantwortliche Person für die Inhalte festlegen, die sich mit anderen Teams abstimmt und klare Entscheidungsbefugnisse bezüglich der Inhalte hat
  • Arbeitsabläufe frühzeitig visualisieren und tracken, was wie zeitaufwendig ist, wo muda* entsteht und was effektiver erledigt werden kann.

*muda = Konzept aus dem Lean-Universum: Überflüssiges, Dinge, Vorgehen, Prozessanteile die man nicht unbedingt braucht

Nachhaltig durch Nachverfolgung

Bevor die Teams mit den Vorgehensweisen in den Alltag starteten, überlegten wir gemeinsam, anhand welcher Kennzeichen wir bemerken würden, dass wir Erfolge bei der Veränderung beobachten.
Diese hielten wir fest und überprüften in regelmäßigen Abständen, wie sie sich entwickelten.
Eine davon war beispielsweise, dass die Anzahl der Schuldzuweisungen in den Terminen der Parteien abnehmen würden, wenn Kommunikation transparenter und Teamzusammensetzung übergreifender würde. Also führten wir in allen moderierten Terminen eine Strichliste.

Ergebnisse

 

Wir möchten niemand in die Tasche lügen. Wir sind keine Quacksalber und keine Wunderheiler. Bei der komplexen und bereits eine Weile andauernden Ausgangslage war es nicht möglich, das Ruder völlig herumzureißen.
Der Zeit- und Budgetverlust war irreversibel, und billiger wurde es über den verbleibenden Programmverlauf auch nicht. Veränderungen kosten Zeit und Geld. Wir konnten aber den Trend umkehren und durch das adaptierte Vorgehen deutlich verbessern.

Eine signifikante Verbesserung der Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen Abteilungen und mit Dienstleister war erkennbar an der erheblichen Reduktion von Schuldzuweisungen, wie wir es erhofft hatten. Die Kommunikation, ihr Fokus und damit die Effektivität des Teams verbesserte sich binnen 8 Wochen.

Durch die end-to-end Verantwortlichkeit verbesserten die Teams ihre Reaktionsfähigkeit und Effektivität. Regelmäßige interne Releases zeigten Schritt für Schritte eine verbesserte Performance  und messbaren Rückgang der Fehlerquote: das Feedback der Testuser verbesserte sich von Mal zu Mal.

Nach 6 Monaten harter Arbeit an den Herausforderungen und am Produkt selbst konnte ein funktionsfähiger, validierter Release der wichtigsten Features geschehen und das Produkt eingesetzt werden.

Alles in Allem

Veränderung ist kein Zuckerschlecken. Komplexe Herausforderungen brauchen häufig auch neue Vorgehensweisen und Ideen. Wer vor einer digitalen Transformation steht, tut gut daran, die kulturellen und strukturellen Implikationen für die Organisation nicht außer Acht zu lassen, sondern im Gegenteil als Teil der Veränderung zu begreifen und sich ihnen ebenso zu widmen, wie der fachlichen Neuerung.

Steht ihr auch gerade vor einer Herausforderung, bei der Ihr Input, Ideen und Unterstützung gebrauchen könnt? Egal, in welcher Phase ihr Euch gerade befindet, wir unterstützen pragmatisch, Methoden-agnostisch und mit jahrelanger Erfahrung. Meldet Euch gern!