Fallstudie: Agil im Mittelstand
Es ist noch gar nicht lange her, da haben wir einen mittelständischen, international arbeitenden Betrieb dabei begleitet, Arbeit rund um Ihre IT Abteilung mit agilen Methoden neu zu gestalten.
Im Rahmen der weiteren Digitalisierung ihres Datenhandlings hatten wir einen zeitkritischen Auftrag: ein Programmteam dabei unterstützen, wieder den richtigen Weg zur Erreichung ihrer Programmziele zu finden.
Einen Auszug dazu, wie wir vorgegangen sind, wollen wir hier vorstellen.
Was war die Ausgangslage?
- Wer: International agierendes, mittelständisches Unternehmen in einem regulierten Markt
- Was: Notwendige Anpassungen aufgrund neuer regulatorischer Anforderungen
Es kam, wie es kommen mußte…
Hier kommt die Kavallerie
Nagut, wir wollen mal nicht übertreiben.
Sicherlich hätte das Team über kurz oder lang auch ihren eigenen Weg gefunden, die Herausforderung zu lösen. Der Vorteil externer Begleitung liegt allerdings darin, dass wir eine neutrale Partei sind, die sich sachlich die Lage ansieht, keinerlei Schuldzuweisungen ausspricht, die volle Erfahrung aus vielen Veränderungsprojekten unterschiedlichster Ausgangslagen mitbringt und daher in der Regel in deutlich kürzerer Zeit effektive Wege zu einem optimierten Vorgehen findet.
Wir sparen bares Geld und wertvolle Zeit, und verhindern, dass die Teammoral weiter sinkt.
Auch in diesem Auftrag sind wir anhand der bewährten drei Phasen vorgegangen.
Verstehen
Eine Analyse der Situation zeigte, dass das Programm es vor allem mit vier Kernthemen zu tun hatte:
- Unklare Ziele
- Im Zuge der Digitalisierung sollten sowohl intern motivierte als auch extern motivierte Ziele erreicht werden. Was Priorität hatte (und anhand welcher Kritieren diese Entscheidung getroffen wurde) war nicht nachvollziehbar. „Alles, und die größte Portion“ schien das Motto zu sein.
- Teamstruktur und Verantwortlichkeiten
- Interne Businessansprechpartner:innen, internes IT Team und externe Anbietende der ausgewählten Plattformlösung hatten unklare Rollen, Teams waren nach Silos getrennt und die Kommunikationswege nicht eindeutig
- Intransparente Kommunikation
- Niemand in den Teams hatte ein klares Bild der Ist-Standes, des gewünschten Zielzustandes und der aktuellen fachlichen Themen und Herausforderungen. Alle hatten nur Puzzleteile, die für sich allein wirkungslos waren. Horten von Information und Schuldzuweisungen waren an der Tagesordnung.
- Zeitintensive Validierung
- Nachrangig war im Projektablauf festzustellen, dass durch die Teamstruktur und Vorgehensweise die zwingend notwendige sorgfältige Validierung den größten Teil der Arbeitszeit in Anspruch nahm. Hier war es eventuell möglich, effektivere Wege zu finden.
Vertiefen und Verändern
Aufgrund der zeitkritischen Komponente des Auftrags parallelisierten wir die Phasen des Vertiefens und Veränderns so gut als möglich. Ein hoher Anteil an Selbststudium und Learning by doing begleitet von Mentoring und Sparring stand wenigen, aufgezeichneten Trainingseinheiten gegenüber.
Im Unternehmen gab es Zugang zu einer Lernplattform, die auch Grundlagenwissen über Agilität enthielt – dies machten wir uns zu nutze.
Ziele verstehen, priorisieren und nachhalten
Mit dem Programmteam und den unterschiedlichen Parteien nahmen wir uns als erstes die Ziele vor.
Stakeholder Mapping, OKR und die Klassiker Risikoanalyse und SWOT halfen dabei, in einem Workshopformat etwas mehr Klarheit zu bekommen, worum es für das Unternehmen letztlich geht, und wie demnach auch die verschiedenen Ziele untereinander zu priorisieren waren.
Gemeinsam mit der Programmleitung in der Rolle eines Product Owners wurde nun einiges an Zeit investiert, um anhand der Ziele eine Roadmap und einen Backlog zu erstellen. Für einen reinen MVP war es zu spät (verwerfen und neu beginnen wurde von den Teams gänzlich abgelehnt) und so wurde Fokus gesetzt und der MVP Gedanke als leane Leitlinie (was brauchen wir als Minimallösung? Kann das weg?) immer wieder hinzugezogen.
Konkrete Vorgehensweisen für den Alltag:
- Priorisierter Backlog: Ersetzung der Anforderungsdokumente durch einen klar priorisierten Backlog, gemeinsam entwickelt von IT, externen Dienstleistern, Business und Powerusern.
- Regelmäßige Abstimmung: Etablierung täglicher Planungsgespräche in Teams und eines „Scrum of Scrums“ im zweitägigen Rhythmus zwischen den Führungskräften und Entscheidern.
Optimierte Teamstruktur und Rollen
- Erst wenn die Ziele klar sind, Teams so zusammenstellen, dass diese Ziele möglichst unabhängig voneinander erreicht werden können
- Silos und Zugehörigkeiten zugunsten der Fähigkeiten und Zielerreichung ignorieren
- Eine verantwortliche Person für die Inhalte festlegen, die sich mit anderen Teams abstimmt und klare Entscheidungsbefugnisse bezüglich der Inhalte hat
- Arbeitsabläufe frühzeitig visualisieren und tracken, was wie zeitaufwendig ist, wo muda* entsteht und was effektiver erledigt werden kann.
*muda = Konzept aus dem Lean-Universum: Überflüssiges, Dinge, Vorgehen, Prozessanteile die man nicht unbedingt braucht
Nachhaltig durch Nachverfolgung
Ergebnisse
Eine signifikante Verbesserung der Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen Abteilungen und mit Dienstleister war erkennbar an der erheblichen Reduktion von Schuldzuweisungen, wie wir es erhofft hatten. Die Kommunikation, ihr Fokus und damit die Effektivität des Teams verbesserte sich binnen 8 Wochen.
Durch die end-to-end Verantwortlichkeit verbesserten die Teams ihre Reaktionsfähigkeit und Effektivität. Regelmäßige interne Releases zeigten Schritt für Schritte eine verbesserte Performance und messbaren Rückgang der Fehlerquote: das Feedback der Testuser verbesserte sich von Mal zu Mal.
Alles in Allem
Veränderung ist kein Zuckerschlecken. Komplexe Herausforderungen brauchen häufig auch neue Vorgehensweisen und Ideen. Wer vor einer digitalen Transformation steht, tut gut daran, die kulturellen und strukturellen Implikationen für die Organisation nicht außer Acht zu lassen, sondern im Gegenteil als Teil der Veränderung zu begreifen und sich ihnen ebenso zu widmen, wie der fachlichen Neuerung.